Unweit der Schweizer Grenze liegt die Stadt Tirano, die einst das Zentrum des Veltlin war und heute die Hauptstadt der Provinz Sondrio ist. Im Norden von Tirano erstreckt sich das malerische Puschlav, ein italienischsprachiges Tal im Schweizer Kanton Graubünden, das durch seine schönen Landschaften beeindruckt. Aber auch Tirano selbst ist sehr idyllisch gelegen und wird von einer sehenswerten Natur umgeben. Das Stadtbild von Tirano dominieren viele historische Gebäude aus verschiedenen Epochen, wodurch in Tirano viele unterschiedliche Baustile zu entdecken sind. Die bis heute eher landwirtschaftliche geprägte Stadt verfügt nur über wenig Industrie und ist auch bei Touristen eher ein Geheimtipp.
Der Ursprung von Tirano ist auf die Burg Dosso oberhalb der Stadt zurückzuführen, deren Überreste man noch heute besichtigen kann und die einst der Wohnsitz der Adelsfamilie Omodei war. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich Tirano durch seine strategisch günstige Lage zu einem bedeutsamen Handelsplatz für den Austausch von Waren zwischen Bünden und Venedig. Aber auch für die Handelsroute von Mailand nach Bormio war Tirano ein wichtiger Knotenpunkt, an dem vielfältige Güter umgeschlagen wurden. Ab dieser Zeit entstanden, bedingt durch den Wohlstand, den Tirano durch seine Rolle als Handelsplatz erlangt hatte, viele imposante Gebäude, die teilweise noch heute der Stadt ihren einzigartigen Charakter verleihen.
Besonders hervorzuheben sind beispielsweise etliche Palazzi, die von reichen Bündner Familien erbaut wurden. Zu den noch heute erhaltenen Palazzi aus dieser Zeit zählen zum Beispiel der Palazzo Marinoni in dem heute das Rathaus von Tirano residiert, sowie der Palazzo Salis, der insbesondere durch seine faszinierenden Fresken, die aus der zweiten Hälfte des 17 Jahrhunderts stammen, sehr sehenswert ist. Der Palazzo Salis und sein für den Alpenraum einzigartiger Garten, der durch ein Labyrinth von Buchsbaumhecken eine ganz eigene Atmosphäre ausstrahlt, sind für die Öffentlichkeit zugänglich und können besichtigt werden. Bereits vor dem 16. Jahrhundert entstanden die nicht minder sehenswerten Stadtbefestigungsanlagen von Tirano mit ihren 3 Stadttoren Porta Poschiavina, Porta Bormina und Porta Milanese, die sich alle noch in einem guten Zustand befinden und deren Erkundung sich lohnt.
Aber auch kirchliche Gebäude spielen in der Geschichte von Tirano eine wichtige Rolle und sind bis heute zentrale Elemente der Stadt. Sehr interessant ist beispielsweise die Wallfahrtskirche Madonna di Tirano, die ab dem Jahre 1505 erbaut wurde. Errichtet wurde die Kirche an dem Ort einer Marienerscheinung, der seinerzeit noch außerhalb von Tirano lag, der aber durch den Bau der Madonna di Tirano so umfassend besiedelt wurde, so dass er sich heutzutage mitten in Tirano befindet. Durch die frühbarocke Ausmalung und die opulente Ausstattung ist ein Besuch der Kirche eine empfehlenswerte Aktivität, die man bei einem Urlaub in Tirano nicht verpassen sollte.
Durch die direkte Lage an der Grenze zu der Schweiz kann Tirano eine verkehrstechnische Besonderheit aufweisen, denn der Ort verfügt sowohl über einen Bahnhof, der von der italienischen Staatsbahn betrieben wird und vom des auf Normalspurgleisen zum Beispiel eine Zugverbindung nach Mailand gibt, als auch einen Bahnhof der Schweizer Schmalspurbahn Berninabahn, die bereits seit 1908 Tirano mit der Schweiz verbindet.
Die Berninabahn, deren Streckenführung teilweise sehr eindrucksvoll ist und die Tirano mit den Schweizer Städten St.Moritz und Chur verbindet, gilt wegen extremer Steigungen von bis zu 70 Promille als eine der steilsten Bahnstrecken der Welt, die ohne Zahnrad betrieben wird. Besonders bekannt ist die Berninabahn durch den Kreisviadukt von Brusio, bei dem sie eine 360 Grad Kurve durchfährt und einmalige Panoramablicke auf eine der schönsten und faszinierendsten Alpenregionen ermöglicht.
Die Stadt Tirano und die umgebende Region Veltlin sind berühmt für ihre kulinarische Vielfalt und eine ganze Reihe von Spezialitäten, die teilweise weltberühmt sind, wie zum Beispiel der süffige Veltliner Rotwein, der aus Trauben der Rebsorte Nebbiolo gekeltert wird. Ebenfalls sehr beliebt ist der unter dem Namen Bresaola bekannte luftgetrocknete Rinderschinken, der häufig als Carpaccio gegessen wird und das italienische Pendant zu der Schweizer Spezialität Bündner Fleisch ist. Eine für das Veltlin typische Delikatesse, die auch in Tirano sehr beliebt ist, sind die schmackhaften Pizzoccheri, die aus Weizenmehl und Buchweizen bestehen und sehr gut mit einer mit Salbei und Knoblauch verfeinerten Butter schmecken. Aber auch Roggenbrot und insbesondere Käse in allen möglichen Variationen gehören zu den Leckereien, die rund um Tirano verbreitet sind.
Fotos:
Bild 1 (Kopfbereich des Tirano-Artikels): Tirano, 12019, Pixabay
Bild 2: Gebirgige Landschaft © Elliott Brown (bearbeitet), [CC BY-SA 2.0] über Flickr
Bild 3: Tirano von [CC BY-SA 4.0]